Die Bereiche Zahlungsabwicklung und Forderungsmanagement sind – nicht erst seit der Corona-Pandemie – eine große Herausforderung für den Online-Handel. Vorübergehende Ladenschließungen haben in den letzten zwei Jahren zu einer gestiegenen Nachfrage bei Online-Handelsunternehmen geführt. Damit ist auch die absolute Anzahl von Zahlungsverzögerungen und -ausfällen angestiegen.
Nach einem Jahr – im April 2021 – hat ibi research die Themen Zahlungsabwicklung und Forderungsmanagement in einer Studie genauer betrachtet. Die dazugehörige Befragung unter 116 Online-Händlern wurde von November 2020 bis Ende Februar 2021 durchgeführt.
Acht von zehn Online-Händler bieten PayPal als Zahlungsmöglichkeit an. Zahlung auf Rechnung (67 %), Kreditkarte (66 %) und Vorkasse per Überweisung (63 %) liegen mit etwas weiterem Abstand auf den nächsten Plätzen. Rechnung und Kreditkarte werden dabei häufiger von großen Unternehmen angeboten (jeweils 85 %), die Zahlung per Vorkasse eher von kleinen Unternehmen.
Knapp über die Hälfte der Handelsunternehmen plant die Einführung neuer Zahlungsverfahren im eigenen Online-Shop. Am häufigsten genannt werden – neben der Kreditkarte – die Lösungen der großen amerikanischen Tech-Firmen: Apple Pay, Google Pay und Amazon Pay. Das spiegelt sich auch in der Einschätzung der Unternehmen zur zukünftigen Beliebtheit unter den Kundinnen und Kunden der verschiedenen Bezahlverfahren wider. Mehr als 70 % der Befragten erwarten, dass Amazon Pay, Apple Pay und Google Pay von den Konsumentinnen und Konsumenten stärker nachgefragt werden.
Insgesamt verzichtet fast ein Drittel der befragten Handelsunternehmen auf Risikoprüfungen der Kunden. Bei den kleinen Unternehmen sind es sogar über 50 %.
Mahn- und Inkasso-Maßnahmen werden von 86 % aller Handelsunternehmen ergriffen. Allerdings zeigen sich auch hier deutliche Unterschiede bei Betrachtung der Unternehmensgrößen: Fast ein Viertel der kleinen Firmen verzichtet vollständig auf Maßnahmen, während alle großen Betriebe Mahn- oder Inkasso-Maßnahmen durchführen – zum großen Teil (73 %) sowohl intern als auch extern über einen Dienstleister bzw. Rechtsanwalt.
Bei den durchgeführten Maßnahmen steht der eigene kaufmännische Mahnprozess (71 %) an erster Stelle.
Vier von zehn Handelsunternehmen geben ihre offenen Forderungen an einen Dienstleister weiter. Das geschieht meist nach erfolgloser Mahnung des Schuldners, wobei die Unternehmen im Schnitt 2,4 Mahnungen pro offener Forderung verschicken.
© 2021 ibi research „Zahlungsabwicklung & Forderungsmanagement im Onlie-Handel
Über ein Fünftel der Betriebe hat während der Corona-Pandemie eine Veränderung des Zahlverhaltens ihrer Kundinnen und Kunden festgestellt. Hier werden vor allem die sinkenden Transaktionen per Vorkasse genannt und im Gegenzug die gestiegenen PayPal-Zahlungen. Ebenso bieten viele Handelsunternehmen die Nachnahme nicht mehr an – begründet in der zu geringen Kundennachfrage.
Über die Hälfte der befragten Unternehmen rechnet damit, dass die Zahlungsstörungen (54 %) und -ausfälle (52 %) im Zuge der wirtschaftlich angespannten Situation durch die Corona-Pandemie zunehmen.
Vor allem große Handelsunternehmen kommen ihren Kunden in dieser schweren Zeit aber entgegen. 55 % gewähren einen Zahlungsaufschub und 20 % bieten ihrer Kundschaft an, die offenen Forderungen in Ratenzahlungen zu tilgen.
Fast alle Unternehmen sind sich einig, dass neue Zahlungsverfahren am Markt nur von den Kunden genutzt werden, wenn sie einen klaren Mehrwert im Vergleich zu den bereits vorhandenen Möglichkeiten bieten. Vor allem die Multikanalfähigkeit des Bezahlverfahrens ist für viele Befragte (83 %) eine wichtige Eigenschaft. „Request to Pay“, also das Versenden einer Zahlungsaufforderung durch den Online-Händler, wird von knapp zwei Dritteln als interessante neue Bezahloption angesehen. Jedoch geben auch 56 % an, dass die bisherigen Zahlverfahren ausreichen und keine neuen Anbieter bzw. Möglichkeiten mehr am Markt gebraucht werden.
Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zu?
Die EU-Kommission hat Ende September 2020 ihre Überlegungen dazu veröffentlicht, wie sie sich den Massenzahlungsverkehr der Zukunft vorstellt. Einige ausgewählte Maßnahmen haben die befragten Unternehmen bewertet und stimmen diesen überwiegend zu: 80 % sind der Meinung, dass Echtzeitzahlungen flächendeckend angeboten werden müssen. Zudem dürfen die Kosten nicht höher sein als für Standardüberweisungen. Die Echtzeitzahlungen (oder Instant Payments) eignen sich nach Einschätzung der Handelsunternehmen auch für den Online-Handel und können beispielsweise eine Alternative zu Kreditkartenzahlungen sein.
„Es bedarf einer gesamteuropäischen und einheimischen Zahlungslösung, die stationär und online genutzt werden kann und nicht abhängig von globalen Akteuren (Mastercard, Visa, PayPal etc.) ist.“ – 70 % stimmen dieser Aussage zu. Jedoch glauben nur 22 %, dass eine gesamt- europäische Zahlungslösung den großen amerikanischen Tech-Unternehmen und den Kreditkartenanbietern erfolgreich entgegentreten kann.
Fazit
Viele kleine Handelsunternehmen verzichten auf Risikoprüfungen sowie Mahn- und Inkasso-Maßnahmen – das kann jedoch sehr unterschiedliche und teilweise auch nachvollziehbare Gründe haben. Die Corona-Pandemie hat die meisten kleinen und mittleren Händler nicht dazu veranlasst, sich über ihre Zahlungsabwicklung oder ihr Forderungsmanagement tiefergehende Gedanken zu machen – und dies, obwohl mehr als die Hälfte der Unternehmen mit steigenden Zahlungsstörungen und -ausfällen rechnet. Hier besteht sicher für manche Handelsunternehmen noch Nachholbedarf.